Interview mit Mathias Willingshofer, Assistent der Geschäftsführung – zuständig für Vertrieb, Produktion, Kundenkontakte, Personal. Studium Maschinenbau, Industriewirtschaft. Mathias Willingshofer war 6 Jahre in der Holzindustrie tätig, seit 2020 wieder im Unternehmen Willingshofer – und Anja Feichtenhofer, studentische Mitarbeiterin, Assistentin im Bereich HR und Marketing.
Annas Garage: Herr Willingshofer, stellen Sie uns bitte Ihr Unternehmen vor.
Mathias Willingshofer: Die Firma Willingshofer ist ein Familienbetrieb in vierter Generation geführt. Unser Standort, Gasen, ist eine sehr ländliche Ortschaft. Das hat auch seine Vorteile. Verkehrsmäßig liegen wir nicht so zentral, aber was die Fachkräfte betrifft, die wir hier in der Region rekrutieren können, sind wir gut aufgestellt. Das ist definitiv ein Vorteil für uns und für einen Familienbetrieb, wir haben 120 Mitarbeiter:innen im Unternehmen und jeder kennt jeden.
Annas Garage: Was produziert Willingshofer?
Mathias Willingshofer: Wir sind Sondermaschinenfertiger. Unsere Produkte findet man nicht im Katalog, nicht im Internet. Der Nachteil: Es ist wie ein Prototypenbau. Die Anlage wird nur einmal gebraucht, also an genau dem einen Einsatzort, für die sie gebaut wurde, vielleicht ein zweites Mail, aber sonst nicht wieder. Es sind spezifische Lösungen. Wir haben eine sehr gute Position in der Branche, in der Energiebranche und auch in der Feuerfestindustrie, wo wir auf Zuruf Aufträge umsetzen. Wir haben keinen aktiven Vertrieb. Wir leben von den Folgeaufträgen unserer Kunden, das ist wie eine Partnerschaft. Neben dem Sondermaschinenbau haben wir noch die Lohnfertigung, klassisch die Fertigung nach Zeichnung von Kunden. Immer auf schwerer Bauweise. Leichtbauweise ist nicht unser Ding. Wir fangen bei 100 Kilogramm aufwärts an. Das Materialgewicht ist bei uns nicht entscheidend im Verhältnis zum Verkaufswert. Uns ist wichtig, dass die Maschine langlebig ist und wartungsfrei. Wir leben von der verkauften Maschine und nicht vom Ersatzteilgeschäft.
Annas Garage: Wie würden Sie die Region unter wirtschaftlichen Aspekten beschreiben, was sind die Herausforderungen in der Region?
Mathias Willingshofer: Gasen knüpft in einer Fahrdistanz von 30 bis 60 Minuten an extrem große Wirtschaftsregionen an. Beispielsweise Weiz mit einer sehr starken Energiewirtschaft, das ist für uns in wirtschaftlich greifbarer Nähe. Da sind Unternehmen tätig, die auf hochwertige Produkte zurückgreifen und wenig Beschaffung im Ausland tätigen. Dann die Region Graz, da liegt zwar nicht unser Hauptfokus, aber da existiert natürlich eine sehr vielfältige Industrie. In der anderen Richtung liegt die Region Bruck – Mürzzuschlag. Die Stahlindustrie ist ein idealer Kunde beziehungsweise Partner für uns. Es sind so viele Branchen in der Umgebung, wenn eine schwächer wird, kann ich auf eine andere zurückgreifen. Das ist für uns als Lieferant mit hoher Qualität sehr wichtig. Es sind hier Betriebe angesiedelt, die nicht nur auf den Preis schauen, sondern auch auf die Qualität.
Annas Garage: Sind Sie in dieser geografischen Lage nicht mit sehr hohen Logistikkosten konfrontiert?
Mathias Willingshofer: Wir haben zwar höhere Logistikkosten als so mancher andere Zulieferer, aber wenn ich etwas in Kroatien, Serbien, Bosnien beschaffen muss, oder auch in Spanien und Portugal, bin ich da auch mit Logistikkosten konfrontiert, die so stark gewachsen sind, dass wir hier sogar einen Vorteil anbieten. Oder denken wir an China und deren Lieferprobleme. Wir sind da zwischendurch auch betroffen, weil wir ja auch Teile aus China bekommen.
Annas Garage: Haben Sie in der Region Konkurrenz?
Mathias Willingshofer: Wir sind natürlich nicht der einzige Sondermaschinenbauer im Umkreis von 100 Kilometern, klar. Wir matchen uns andererseits auch mit Mitbewerbern, etwa in Deutschland und auch auf Europaebene. Aber nur mit Projekten im Sondermaschinenbau könnten wir unseren Standort nicht auslasten, deshalb haben wir auch die Lohnfertigung. Hier eine gute Mischung und Auslastung zu finden ist natürlich auch eine große Herausforderung.
Annas Garage: Ich würde gerne zum Thema Lehrlinge kommen. In Ihrem Unternehmen sind die ausgezeichneten Leistungen Ihrer Lehrlinge, etwa bei Wettbewerben, in Form von Urkunden sehr sichtbar. Sie haben offensichtlich eine sehr gute und auch sehr erfolgreiche Lehrlingsausbildung. Was zeichnet Sie aus?
Mathias Willingshofer: Generell ist für uns die Lehrlingsausbildung sehr wichtig, um zukünftige Fachkräfte zu bekommen. Nicht alle unsere Lehrlinge sind Europameister, das muss auch gar nicht sein. Die Teilnahme an diesen Wettbewerben ist auch mit einem großen Ressourceneinsatz verbunden, nicht nur von Lehrlingsseite, sondern auch von Seite des Unternehmens. Viele Stunden fließen in die Vorbereitung auf eine solche Teilnahme, und wenn unser Lehrling dann tatsächlich gut abschneidet und einen Preis gewinnt, weckt das natürlich Begehrlichkeiten, und es besteht natürlich die Möglichkeit, dass sich auch andere Unternehmen sehr intensiv um diesen Lehrling bemühen.
Annas Garage: Worauf achten Sie besonders, wenn Sie Lehrlinge aussuchen?
Mathias Willingshofer: In Zeiten des Lehrlingsmangels müssen wir uns bewusst sein, dass die Auswahl an Bewerbern möglicherweise nicht so groß ist. In solchen Situationen ist es entscheidend, dass wir gezielte Unterstützung bieten, um Lehrlinge zu fördern und zu entwickeln, auch wenn sie möglicherweise nicht von Anfang an alle erforderlichen Fähigkeiten mitbringen.
Wir achten bei der Auswahl unserer Lehrlinge natürlich darauf, dass er/sie ein starkes Interesse und Engagement für den gewählten Beruf zeigt. Das zeigt sich oft schon bei den Schnuppertagen, die die Schüler:innen bei uns absolvieren. Außerdem ist es uns auch wichtig, dass der/die Bewerber:in über Grundfähigkeiten und -fertigkeiten verfügt, die für den Beruf relevant sind wie z.B. handwerkliches Geschick, technisches Verständnis aber auch kommunikative Fähigkeiten.
Es ist uns bewusst, dass nicht alle Lehrlinge von Anfang an Top-Fachkräfte werden, aber durch eine strategische Begleitung und Weiterbildung können wir sie dazu entwickeln, gute Arbeit zu leisten. Dies gilt insbesondere für Lehrlinge, deren Fähigkeiten vielleicht nicht sofort offensichtlich sind, sei es aufgrund von mangelndem handwerklichem Geschick oder einem weniger entwickelten Hausverstand.
Wenn wir es schaffen, alle paar Jahre drei bis vier Lehrlinge zu haben, die sich als wahre Hidden Champions herausstellen, dann sollten wir unbedingt auf diese aufbauen. Es ist unrealistisch zu erwarten, dass jeder Lehrling die gleichen Fähigkeiten und Talente mitbringt. Eine Mischung aus besonders talentierten Lehrlingen und solchen mit durchschnittlichen Fähigkeiten kann sogar vorteilhaft sein.
Im letzten Jahr hatten wir mehrere Lehrlinge mit ausgezeichnetem Erfolg bei den Lehrabschlussprüfungen. Es ist wichtig, dass sich die Lehrlinge auch untereinander motivieren und sich gegenseitig unterstützen.
Annas Garage: Welche Rolle spielt das Zeugnis in Ihrer Auswahl der Lehrlinge?
Mathias Willingshofer: Meiner Meinung nach sagt ein Schulzeugnis nichts drüber aus, ob jemand ein guter Arbeiter wird oder nicht. Wenn jemand sagt, er oder sie geht nicht gerne in die Schule und schaut lieber, dass er eine Arbeit bekommt, und er kann sich dann mit dem identifizieren, dann wird er motiviert sein, dann wird er auch in der Berufsschule gut sein. Vielleicht sind eben zum Beispiel Deutsch, Englisch oder politische Bildung nicht seine Stärken, vielleicht sind es eher die handwerklich technischen Dinge.
Annas Garage: Frau Feichtenhofer, aus der Perspektive Ihrer Lehrlinge – Was glauben Sie, ist für Ihre Lehrlinge an Willingshofer besonders attraktiv?
Anja Feichtenhofer: Attraktiv ist sicher, dass wir ein Familienbetrieb sind, jeder kann mit jedem reden und es ist absolut möglich, dass auch ein Lehrling zur Geschäftsführung kommt. Die Tätigkeiten bei uns sind sehr, sehr abwechslungsreich. Wir haben auch keine Lehrlingswerkstätte und die Lehrlinge arbeiten gleich direkt in der Produktion. Das ist für die Lehrlinge auf jeden Fall interessant.
Annas Garage: Wie geht es Ihnen in der Lehrlingsakquisition? Was machen Sie, um Lehrlinge zu bekommen?
Mathias Willingshofer: Das zentrale Problem ist, dass das öffentliche Verkehrsnetz praktisch nicht vorhanden ist. Wir schauen schon, dass es für die Lehrlinge Mitfahrgelegenheiten gibt. Sobald er einen Mopedführerschein hat, ist er froh, dass er selbst fahren kann. Aber eine öffentliche Anbindung wäre für die Lehrlinge schon wichtig. Aus der Breitenau gibt es überhaupt kein öffentliches Verkehrsmittel zu uns nach Gasen. Zu gar keiner Zeit.
Annas Garage: Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit den Schulen in der Region?
Anja Feichtenhofer: Wir versuchen früh genug in Schulen aufzutreten, auf uns aufmerksam zu machen. Wenn man durch Gasen fährt und unsere Fassade sieht, weiß man als 13/14Jähriger vermutlich nicht, was sich dahinter verbirgt. Deshalb ist die Zusammenarbeit mit Schulen in der Region unglaublich wichtig für uns, um potenzielle Lehrlinge über unsere Ausbildungsmöglichkeiten zu informieren und ihnen auch einen Einblick in die verschieden Berufsfelder bei uns zu geben.
Mittlerweile startet die Mittelschule Birkfeld Initiativen, dass die Unternehmen auch zu ihnen kommen, in die Schulen.
Annas Garage: Was ist Ihnen in der Arbeit mit Schulen wichtig?
Mathias Willingshofer: Ansprechpartner:innen. Wenn da ein Wechsel ist, ist das für uns wie Neuland. Idealerweise kann man länger mit Lehrer:innen zusammenarbeiten, die die Schüler:innen in der Mittelschule 4 Jahre lang betreuen. Umgekehrt können sich die Schulen auch von uns Unterstützung erwarten, etwa wenn es um Sponsoring oder so geht. Wir haben zum Beispiel für die PTS Birkfeld einen Pneumatik Stand, an dem die Schüler:innen üben können finanziert – die Schule hätte diese 5000-6000 Euro aus öffentlichen Mitteln nie bekommen. Der Austausch zwischen Schulen und Betrieben ist meiner Meinung nach sehr, sehr wichtig
Anja Feichtenhofer: Wir sind natürlich auch auf Social Media aktiv, die Schulen fangen auch immer früher mit der Berufsorientierung an, es startet alles schon in den dritten Klassen und für uns ist es eine großartige Möglichkeit, wenn wir uns da vorstellen können. Das kann eine Motivation sein, dass sie zu uns schnuppern kommen. Bei Jobmessen müssen wir auch präsent sein.
Annas Garage: Wer beeinflusst aus Ihrer Erfahrung die Ausbildungswahl besonders stark?
Mathias Willingshofer: Wenn sich ein Jugendlicher zu uns ins Unternehmen kommt, und er ist begeistert und erzählt seinen Freunden davon, ist das die beste Werbung für uns.
Ein wichtiger Aspekt ist natürlich das persönliche Interesse für einen bestimmten Beruf oder Branche. Aber auch familiäre Einflüsse spielen eine Bedeutende Rolle. Eltern, Großeltern oder Geschwister können durch ihre eigenen Berufe, Erfahrungen die Jugendlichen bei ihrer Ausbildungswahl beeinflussen.
Annas Garage: Wir danken für das Gespräch.