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Interview mit Frau Dir. Simone Gangl, PTS Hartberg, Direktorin der Polytechnischen Schule in Hartberg

Annas Garage: Frau Direktor Gangl, was sollten unsere Leser:innen über die Polytechnische Schule Hartberg wissen?

Simone Gangl: Abhängig vom Jahrgang sind wir zweiklassig oder dreiklassig – wie heuer auch, mit 53 Schüler:innen. Wir haben neun Fachbereiche, in denen sich die Schüler:innen ganz berufsspezifisch auf die Lehre vorbereiten können. Das ist zum einen der nicht-technische Bereich mit Schönheit, Gesundheit, Soziales, Tourismus, Handel, Büro und Dienstleistungen. Der technische Bereich zum  anderen gliedert sich in Elektrotechnik, Metalltechnik, KFZ-Technik, Holztechnik und Bautechnik. Das Besondere am Standort Hartberg ist, dass wir den technischen Werkunterricht von Unternehmenschefs durchführen lassen, was bei den Schüler:innen und bei den Eltern sehr gut ankommt.

Annas Garage: Findet dieser Unterricht dann bei Ihnen in der Schule statt oder gehen Sie in die Unternehmen?

Simone Gangl: Im Rahmen des Fachkunde- und des Werkstättenunterrichts in der Schule. Das findet immer Dienstag- oder Mittwochvormittag statt. Da konzentrieren sich die Schüler:innen nur auf den Unterricht in den hauseigenen Werkstätten.

Annas Garage: Das heißt, Sie sind also sehr gut vernetzt mit den regionalen Unternehmen.

Simone Gangl: Absolut. Auch wenn freie Lehrstellen angeboten werden, wird uns das geschickt. Wir sind in einem sehr regen Austausch, auch im Zusammenhang mit den drei Schnupperwochen, die in jedem Schuljahr stattfinden.

Annas Garage: Bedeutet das, dass es zusätzliche Veranstaltungen gar nicht braucht, wenn die Schulen und die Unternehmen so gut vernetzt sind? Die Unternehmen wissen, dass Sie bei Ihnen den Nachwuchs bekommen, Sie wissen, was die Schüler:innen interessiert. Das klingt nach einer idealen Kooperation von Schulen und Unternehmen in Hartberg.

Simone Gangl: Das kann ich auf jeden Fall unterstreichen.

Annas Garage: Gibt es irgendwelche Bereiche, die man im Interesse der Schüler:innen optimieren könnte?

Simone Gangl: Im zeitlichen Rahmen, der uns zur Verfügung steht, passiert in Hartberg sehr, sehr viel. Wir laden die Unternehmen schon zu Schulbeginn ein, in unsere Schule zu kommen und sich direkt in den Klassen vorzustellen und zu präsentieren. Bei den Bildungsmessen sind wir immer vertreten und in Hartberg auch jedes Jahr beim Job-Speed Dating. Das Angebot ist sehr groß. Ich glaube nicht, dass man im Rahmen der Schule noch mehr machen könnte.

Annas Garage: Was ist Ihr Einzugsgebiet? Woher kommen Ihre Schüler:innen geografisch betrachtet?

Simone Gangl: Relativ groß. Der ganze Großraum Hartberg, über Bad Waltersdorf, Neudau, Grafendorf, Lafnitz, bis nach Stubenberg. Die ganze Region um Vorau und Waldbach ist auch mögliches Einzugsgebiet, weil es dort keinen PTS Standort mehr gibt.

Annas Garage: Sie haben vorhin neun Fachbereiche angesprochen, technische und nicht-technische. Sehen Sie bei der Aufteilung von Burschen und Mädchen auf diese Fachbereiche nach wie vor die klassischen Stereotype, Burschen in technischen Fachbereichen, Mädchen in den anderen?

Simone Gangl: Ja. Die Rollenverteilung hat sich über die Jahre nicht sonderlich geändert. Wir merken schon, dass von Jahr zu Jahr immer ein paar mehr Mädchen in die Technik wollen, aber es handelt sich da immer um ein bis drei Mädchen. In den nicht-technischen Fachbereichen haben wir vorzugsweise Mädchen. Vereinzelt auch Burschen, die Interesse an einem Sozialberuf haben, oder eine Lehre im Tourismussektor anstreben. Aber insgesamt ist die Rollenverteilung ganz klassisch.

Annas Garage: Ich habe in Gesprächen mit Schulen gehört, dass zwar immer mehr Mädchen in technische Berufe gehen wollen, dass es aber für Burschen noch schwieriger zu sein scheint, in nicht klassische männlich konnotierte Berufe zu gehen.

Simone Gangl: Das ist unter Gleichaltrigen tatsächlich so. Wobei ich in diesem Jahr drei Schüler habe, die Koch werden wollen. Am Anfang war die Angst schon da, es offen zu vertreten. Offensichtlich haben sie die Abwertung durch die Gleichaltrigen gefürchtet. Wobei es in diesem Beruf ja viele männliche Role-Models gibt. Die sehr erfolgreichen Köche sind ja häufig männlich.

Annas Garage: Wie schätzen Sie die Attraktivität der Region Hartberg für Jugendliche ein?

Simone Gangl: Die Ausbildungsmöglichkeiten sind ausgezeichnet. In Hartberg selbst und in der Region haben wir viele sehr tolle Unternehmen, die viele Lehrlinge mit Freude aufnehmen möchten. Die Jugendlichen können es sich – wenn sie gut drauf sind – aussuchen, in welchem Unternehmen sie eine Lehre machen möchten.

Annas Garage: In Hartberg dürfe das Thema Mobilität ja kein großes Problem sein, oder?

Simone Gangl: Mir fällt bei den Schüler:innen  generell auf, dass sie nicht bereit sind, sehr weit zum Ausbildungsbetrieb zu fahren. 10 bis 15 Kilometer ist das Maximum. Wir evaluieren das immer am Schulende, wo die Schüler:innen eine Lehrstelle antreten und wie weit das von zu Hause weg ist. Deshalb erscheint es mir auch wenig sinnvoll, wenn sich Unternehmen aus Graz vorstellen möchten.

Annas Garage: Weil Sie Graz erwähnen, da gäbe es wohl nur die Möglichkeit in ein Lehrlingsheim zu gehen …

Simone Gangl: Diese  Möglichkeit besteht, wird jedoch von den wenigsten Schüler:innen in Betracht gezogen.

Annas Garage: Was ist denn den 15-Jährigen, die Ihre PTS besuchen, wichtig?

Simone Gangl: Ganz oben bei der Ausbildungswahl steht: „Es muss mir Spaß machen!“ An zweiter Stelle steht die Bezahlung. Ich kann die Aussage diverser Studien nicht bestätigen, dass die Bezahlung nicht so wichtig sei. Ich glaube sogar, dass es den meisten immer wichtiger wird. Und die Freizeit. Die wird immer wichtiger.

Annas Garage: Hat die PTS Zukunft?

Simone Gangl: Wir stecken unser Herzblut in diese Schule, weil wir wissen, dass es immer wichtiger wird, Facharbeiter:innen auszubilden und wir sind in der Lage, Schüler:innen auf diesen Weg zu bringen. Die PTS als Schulform wird immer viel zu wenig gehört und wahrgenommen, obwohl wir die wichtigsten Vorbereiter und Zulieferer für die Unternehmen und für die Wirtschaft allgemein sind.

Annas Garage: Ich hätte ja schon den Eindruck, dass sich das Image der PTS in den letzten Jahren zum Positiven gewandelt hat. Trifft das zu?

Simone Gangl: Das trifft definitiv zu. Auch an unserem Standort in Hartberg hat sich die Wahrnehmung in den letzten fünf Jahren absolut verbessert. Aber die Bezeichnung „Polytechnische Schule“, die aus grauer Vorzeit stammt, hat bei vielen einen negativen Beigeschmack. Positives Image entsteht direkt an den einzelnen Standorten. Wenn man in der Region gute Arbeit leistet, wird das über die Generationen hinweg weitergetragen.

Annas Garage: Was ist aus Ihrer Sicht das Attraktivste für Jugendliche an der PTS?

Simone Gangl: Das wichtigste Alleinstellungsmerkmal besteht in den drei bis vier vollen Schnupperwochen. Das kann keine andere Schulform bieten. In höheren Schulen gibt es gesetzlich vorgeschrieben drei Tage zum Schnuppern und das war es. In der PTS kann man sich wirklich drei bis vier Wochen nehmen, um sich zu orientieren, sich anzuschauen, was passt zu mir, was interessiert mich wirklich. Will ich überhaupt eine Lehre machen oder will ich doch weiter in die Schule gehen? Auch lebenspraktische Inhalte werden in der PTS vermittelt: Finanzwesen, Versicherungen, wie mache ich eine Überweisung, etc., das lernt man in der PTS.

Annas Garage: Vielen Dank für das Gespräch.