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Interview mit Bernadette Pöcheim

 

Annas Garage: Vor welchen Herausforderungen im Bereich Beschäftigung stehen Jugendliche? Welche genderrelevanten Aspekte fallen Ihnen besonders auf?

Bernadette Pöcheim: Wir sehen nach wie vor, dass junge Frauen sich für drei bis vier Lehrberufe entscheiden. Es sind dies die klassischen Lehrberufe wie Einzelhandel, Gastgewerbe, der ganze Dienstleistungsbereich. Es ist so viel Potenzial da bei den Frauen, aber sie greifen unverändert zu den Berufen oder Lehrausbildungen, die von den Rahmenbedingungen her nicht optimal sind, besonders in Bezug auf das Entgelt. Es ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht wirklich gut gelungen, dass wir junge Frauen motivieren könnten zu anderen Lehrberufen zu greifen, die von der Bezahlung her, von den Aufstiegsmöglichkeiten her besser sind. Das ist sehr schade.

Annas Garage: Wieso verändert sich da nichts?

Bernadette Pöcheim: Die Entscheidung für eine Lehrausbildung fällt in einem Alter, wo Mädchen in einer klassischen Geschlechterrolle sind, etwa: „Ich arbeite gerne mit Kindern.“ Die klassischen Rollen werden auch in den Familien vorgelebt und viele Familien leben noch in traditionellen Konzepten. Oft wird der Lehrberuf überhaupt von den Eltern vorgegeben. Sie wählen den Beruf aus mit dem Fokus auf „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“. Am Land spielt auch eine Rolle, welche Lehrstellen leicht erreichbar sind. In den Regionen geht es natürlich auch um das Thema Mobilität: Einen Billa, einen Spar gibt es überall, Friseure gibt es überall. Die Firmen, wo man technische Lehren machen kann, sind halt in den Ballungszentren. Das ist alles schwer aufzubrechen.

Ich beobachte oft, dass Jugendliche Berufe lernen, die sie von den Eltern her kennen. Es geht da auch um Vorbilder. Am Land haben wir die Friseurin und die Verkäuferin, etc. als Vorbilder.

Annas Garage: Die Eltern wissen ja häufig auch nicht, wohin sich die Arbeitswelt entwickelt. Dadurch werden die Jugendlichen auch nicht vorbereitet auf die potenziellen Felder, die sich öffnen.

Bernadette Pöcheim:  Mit 15 sind sie noch wirkliche Kinder. Und in dieser Phase die Berufswahl zu treffen finde ich äußerst schwierig. Sie treffen ihre Berufsentscheidung im Rahmen dessen, was sie kennen, und mit 15 kennen sie halt noch nicht so viel. Mit 25 ist die Welt größer. Je enger das familiäre Umfeld, desto enger ist auch die Berufsauswahl. Ich finde es gut, wenn Jugendliche länger in der Schule sind.

Annas Garage: Wird sich durch die Digitalisierung und die damit einhergehenden Umbrüche in der Gesellschaft etwas verändern in den Mustern der Berufswahl?

Bernadette Pöcheim: Das ist die Frage. Digitale Grundkompetenz wird ohnehin vorausgesetzt und die bringen die Jugendlichen auch mit. Sie wachsen digital auf. Ich brauche sie in den klassischen Frauenberufen auch. Ob man sich durch die Digitalisierung eine andere Lehre aussucht? Da bin ich skeptisch.

Annas Garage: Welche Trends beobachten Sie zum Thema Gleichstellung in der Arbeitswelt?

Bernadette Pöcheim: Ich habe das Gefühl, dass sich ganz wenig tut. Häufig höre ich von Mädchen: „Ich arbeite aber lieber mit Menschen, ich fühle mich im sozialen Bereich besser aufgehoben.“ Die Bewertung der Arbeit muss anders werden. Warum ist die Arbeit mit Maschinen oder Programmieren mehr wert als die Arbeit mit Menschen? Wir brauchen den sozialen Bereich, wir brauchen den Dienstleitungsbereich. Es macht wenig Sinn zu sagen, alle müssen in technische Berufe, weil die gut bezahlt sind. Wir brauchen den anderen Bereich genauso aber wir müssen da bessere Rahmenbedingungen und besseres Entgelt sicherstellen.

Es hat sich schon einiges getan, es gibt mehr Frauen in der Technik, aber die kämpfen am Arbeitsplatz schon sehr. Spätestens mit dem ersten Kind kommt das große Thema der Vereinbarkeit Familie und Beruf. Und was ich immer wieder höre: Wenn Frauen in Branchen arbeiten, wo überwiegend Männer beschäftigt sind, etwa im technischen Bereich, stehen sie nach wie vor vor großen Herausforderungen. Zum Beispiel beim Arbeitsklima, von dem viele sagen, dass sie es so nicht wollen. Frauen arbeiten anders, sozialer, sie wollen keine klassische Hierarchie und die damit verbundenen Kämpfe. Da geht es gar nicht um das Thema Karriere. Sie wollen gute Arbeitsbedingungen, einen guten Job machen und die Vereinbarkeit sichergestellt wissen. Das ist in Bereichen, wo überwiegend Männer beschäftigt sind, häufig nicht der Fall. Viele Frauen fühlen sich in diesen männlich dominierten Arbeitswelten nicht wohl.

Annas Garage: Ist in diesem Zusammenhang Belästigung ein Thema?

Bernadette Pöcheim: Ja, das ist mitunter ein Thema, vor allem in der Sprache – wie kommuniziert wird. Da sprechen wir nicht von sexueller Belästigung, sondern von der Art, wie Sprache das Umfeld gestaltet. Männer kommunizieren auch in der Arbeitswelt anders. Wenn Frauen Vorgesetzte von Männerteams sind, sagen sie, müssen sie ganz anders reden. Das interessiert viele Frauen nicht, sie wollen so nicht arbeiten.

Wenn Firmen aus dem technischen Bereich Frauen anziehen wollen, dann muss man das anders aufsetzen, eine andere Kultur etablieren, so, dass sich in diesen Teams auch Frauen wohlfühlen. Da geht es auch oft um die Pausengespräche, um das Miteinander, wie wird in der Gruppe miteinander gearbeitet, wie ist die Kommunikation.

Ich habe kürzlich mit einer Frau geredet, die in einer großen Firma als Mechatronikerin arbeitet, da waren bisher nur Männer, sie ist die erste Frau, mit einer Superausbildung. Die Männer haben von Anfang an gesagt, sie wollen nicht mit einer Frau zusammenarbeiten, sie wollen nicht immer Rücksicht nehmen in der Art zu reden, wie kommuniziert wird und bei den Schmähs. Sie hat klargemacht, dass sie nicht will, dass mit ihr so geredet wird, da war sexuelle Belästigung durchaus ein Thema. Viele tun sich das einfach nicht an. Und die gehen dann in einen ganz anderen Bereich, wo sie ihre gute Ausbildung nicht verwerten können. Da müssten Firmen auch anders agieren und zeigen, dass ihnen Frauen wichtig sind. So müssen Führungskräfte gleich klar machen, wie kommuniziert wird, wie miteinander gearbeitet wird.

Annas Garage: Was möchte die Arbeiterkammer im Bereich Gleichstellung erreichen?

Bernadette Pöcheim: Uns ist wichtig, dass Frauen in allen Berufsbereichen Möglichkeiten haben, und dass sie gleich bezahlt werden. Wir haben nach wie vor Thema, dass die Arbeit die gleiche ist, die Bezahlung aber nicht. Ein weiteres Anliegen ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Arbeitszeitmodelle. Oder das Thema Bewerbungsgespräche: Frauen werden noch immer gefragt, wie viele Kinder sie wollen, wie sie tun, wenn es Probleme mit Krankheiten zu Hause gibt. Ein Mann wird das nicht gefragt. Da hat sich über die Jahrzehnte wenig getan. Die Betreuungspflichten werden nach wie vor den Frauen zugerechnet. In der Praxis ist es auch so, dass Pflegeurlaub in erster Linie von Frauen in Anspruch genommen wird. Frauen werden am Arbeitsplatz viel mehr in ihrer Rolle als Mutter wahrgenommen, da wird mitgedacht: „Sie hat zwei kleine Kinder, sie zeitlich nicht flexibel, kann keine Überstunden machen, Kinder werden krank, Pflegefreistellung.“ Ich habe das Bild einer Familie: Frau, Mann, drei Kinder. Für den Mann bedeutet das Sozialprestige, auch bei einem Vorstellungsgespräch. Der hat drei Kinder, ist verheiratet – toll. Anders ist es, wenn sich die Frau mit drei Kindern vorstellt.

 

Bild von Fotograf XYCopyright: Graf-Putz/AK

Mag.a Bernadette Pöcheim Leiterin der Abteilung für Frauen u. Gleichstellung der Arbeiterkammer Steiermark

  • Bernadette Pöcheim: Graf-Putz/AK
  • Beitragsbild: shutterstock

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